Das Wichtigste in Kürze zur Pubertät:


Die Entwicklung des Teenagers (12 - 17 Jahre)


Die Entwicklung in der Pubertät

 

1.      Die folgenden Entwicklungsprozesse kommen in der Pubertät zum Abschluss:

 

·        Wachstum: Quantitative Zunahme, zum Beispiel Körpergröße.

 

·        Differenzierung: Qualitative Ausgestaltung, zum Beispiel Sprache.

 

·        Spezifizierung: Festlegung von Fähigkeiten, zum Beispiel die nonverbale Kommunikation auf die Umgangsformen der Lebensgemeinschaft.

 

2.      Es gibt kein Entwicklungsmerkmal, welches bei allen Jugendlichen gleich ausgeprägt ist.

 

3.      Die Vielfalt unter Jugendlichen entsteht, weil Eigenschaften und Fähigkeiten bei jedem Einzelnen unterschiedlich ausgeprägt sind (zum Beispiel Körpergröße) und unterschiedlich rasch ausreifen (zum Beispiel sekundäre Geschlechtsmerkmale) (Interindividuelle Variabilität).

 

4.      Die einzelnen Eigenschaften und Fähigkeiten sind beim jugendlichen selbst unterschiedlich angelegt und reifen verschieden rasch aus (zum Beispiel können seine sprachlichen Fähigkeiten besser entwickelt sein als seine motorischen) (Intraindividuelle Variabilität). Ausgeprägte Unterschiede, beispielweise zwischen körperlicher und sozialer Entwicklung, können sich im Verhalten nachteilig auswirken

 

5.      Die Anlage ist von Kind zu Kind unterschiedlich gestaltet und bestimmt die optimalen Entwicklungsmöglichkeiten eines Kindes. Wie sie verwirklicht wird, hängt von den Erfahrungen ab, die das Kind machen kann.

 

6.      Das soziale, kulturelle und religiöse Umfeld, in dem das Kind aufwächst, trägt ebenfalls zur Vielfalt unter den Jugendlichen bei (Heterogenität).

 

7.      Mädchen sind im Mittel von Geburt an immer etwas weiter entwickelt als Jungen. Dieser Geschlechtsunterschied ist auf eine unterschiedliche Zeitskala der biologischen Reifung bei Mädchen und Jungen zurückzuführen.

 

8.      Vielfalt und Individualität wahrzunehmen und als biologische Realität zu akzeptieren ist eine grundlegende Voraussetzung, um den individuellen Bedürfnissen und Eigenschaften der Jugendlichen in Familie und Schule gerecht zu werden.

 

9.      Die Pubertät ist für die Gesellschaft ein Jungbrunnen. Künstlerische Kreativität, Erneuerung von ethischen Vorstellungen wie auch technische und wissenschaftliche Innovationen würden ohne die Sturm- und Drang-Periode weitgehend ausbleiben.

 

 Die körperlichen Veränderungen

 

1.      Die körperliche Entwicklung in der Pubertät umfasst die folgenden drei Bereiche: Wachstum, erstmaliges Auftreten der sekundären Geschlechtsmerkmale und Ausreifung der primären Geschlechtsorgane.

 

2.      Der Jugendliche spürt intuitiv, welche Wirkung sein Aussehen auf die Gleichaltrigen hat, und reagiert darauf auf das Empfindlichste.

 

3.      Die Pubertätsentwicklung zeichnet sich in jeder Hinsicht durch eine große Variabilität aus. Jedes Merkmal weist in seinem Auftreten eine Streubreite von 6 und mehr Jahren und eine unterschiedliche Ausprägung auf.

 

4.      Die Menarche tritt im Mittel mit 12,5 Jahren auf, frühestens mit 9 bis 10, spätestens mit 16 bis 17 Jahren.

 

5.      Die Ejakularche findet bei mehr als 90 Prozent der Jungen im Alter von 11 bis 17 Jahren statt.

 

6.      Die Dauer der Pubertätsentwicklung, wie rasch oder langsam ein Mädchen oder ein Junge die Pubertät durchläuft, variier zwischen 1 bis 5 und mehr Jahren.

 

7.      Die Pubertätsentwicklung setzt bei Jungen im Mittel um 1,5 Jahren später ein als bei Mädchen und dauert dementsprechend länger.

 

8.      Die Pubertätsentwicklung wird durch die biologische uhr im Hypothalamus ausgelöst. Eine Kaskade von Hormonen führt zu einem letzten Entwicklungsschub und zur Ausreifung der primären Geschlechtsorgane sowie zum Auftreten der sekundären Geschlechtsmerkmale.

 

„Verschiedene Entwicklungsbereiche der Jugendlichen“

 

1.   Moralische Entwicklung

 

1.      Die Moralentwicklung setzt bereits im Kleinkindalter ein. Mit etwa 4 Jahren begreift das Kind die einfache Regel: Wie du mir, so ich dir. Mit den Erfahrungen von Gehorsam und Strafe entstehen erste Vorstellungen von Gut und Böse. Im schulalter entwickelt sich eine Moral von Recht und Ordnung. In der Pubertät stellt sich schließlich eine universelle Moral ein, die für alle Menschen Gültigkeit haben soll

 

2.      Diskussionen über Moral, beispielweise über die Goldenen Regel der Ethik, können Jugendliche begeistern, aber nur dann, wenn sie einen Bezug zu ihrem Leben haben.

 

3.      Basisdemokratische Erfahrungen in der Schule und in Freizeitgruppen zeigen den jugendlichen auf, weshalb Regen für das Zusammenleben in der Gemeinschaft notwendig sind.

 

4.      Für die Gesellschaft ist es überaus wichtig, dass jede Generation aufs Neue das ethische Fundament der Gesellschaft hinterfragen und - bei Bedarf -  Verbesserungen anbringen kann.

 

5.      Die Jugend ist der moralische Jungbrunnen der Gesellschaft

 

 

2.      Die Jugendsprache

 

1.      Jede Generation schafft sich ihre eigene Sprache. Damit will sie sich einerseits von den Erwachsenen absetzen und andererseits den Zusammenhalt unter den Gleichaltrigen stärken.

 

2.      Jugendsprache mit Anleihen im Migrationsmilieu wie Kiezsprache, Kanak, Balkan- und Türkischslang erfreuen sich großer Beliebtheit und haben in Comedy, Musik und YouTube Eingang gefunden. Fremde Kulturen haben die Jugendsprachen schon immer bereichert.

 

3.      SMS und E-Mails sind dominierende Kommunikationsformen geworden. Die ‚Simplifizierung der Sprache mit Abkürzungen und vereinfachter Grammatik und Syntax beeinträchtigt die Kompetenz in der deutschen Schriftsprache nicht.

 

4.      Die Kommunikation in den elektronischen Medien enthält durchaus kreative Elemente. Verdichtung und Rhythmisierung der Sprache hat unter anderen Poetry Slam hervorgebracht.

 

3.      Musizieren, konsumieren und träumen

 

1.      Musik unterstützt Jugendliche bei der Suche nach sich selbst und dem, was sie einmal werden wollen. Musikhören stärkt die Zusammengehörigkeit unter Gleichaltrigen.

 

2.      Musik ist für Gleichaltrige deshalb so wichtig, weil mit der Umstellung vom Kindsein auf das Erwachsensein eine Flut von Träumen und Sehnsüchten verbunden ist, welche Popmusik zum Ausdruck bringt.

 

3.      Massenhysterien bei Popkonzerten sind typische Jugendphänomene, die es seit den Beatels gibt. Es sind ideale Ventile, um eine Vielzahl von Gefühlen gefahrlos auszuleben, wie Liebe in all ihren Variationen, aber auch Verzweiflung und Trauer.

 

 

4. Die Entwicklung des Sexualverhaltens

 

1.      Die Vorstellung, Jugendlichen gehe es hauptsächlich um Sex, wird ihnen nicht gerecht. Sie legen großen Wert auf Partnerschaft und Geborgenheit, Vertrauen, Verlässlichkeit und Nähe.

 

2.      Die Geschlechtsentwicklung im umfassenden Sinn setzt sich aus drei Komponenten zusammen, mit denen sich der Jugendliche auseinandersetzen muss

 

·        Geschlechtsidentität: Eigenwahrnehmung und Körperbewusstsein als Mann oder Freu unabhängig von der sexuellen Orientierung.

 

·        Geschlechtstypisches Verhalten: Auf Grund einer angeborenen Neigung stellt sich ein geschlechtsspezifisches Rollenverhalten ein; Verhalten und Tätigkeiten eines Geschlechts werden bevorzugt, unabhängig von Geschlechtsidentität und späterer sexueller Orientierung.

 

·        Sexuelle Orientierung: Eine angeborene Präferenz bewirkt in der Pubertät, dass sich der Jugendliche vom anderen und/oder vom gleichen Geschlecht sexuell angezogen fühlt. Erotische Signale von und sexuelle Aktivität mit gleichgeschlechtlichen und/oder heterosexuellen Partnern werden bevorzugt

 

3.      Diese drei Komponenten haben bei den meisten Menschen die gleiche Orientierung. Sie können aber auch unterschiedlich ausgerichtet sein.

 

4.      Körperkontakt vermittelt dem Kind ein Gefühl von Geborgenheit und emotionaler Zuwendung. Dieses Grundbedürfnis hat nichts mit Sexualität zu tun.

 

5.      Selbstbefriedigung, früher verpönt und bestraft, gehört heute zum normalen Sexualverhalten.

 

6.      Die Anti-Baby-Pille hat zu einer größeren sexuellen Aktivität unter Jugendlichen geführt, von einer sexuellen Enthemmung kann jedoch keine Rede sein.

 

7.      Dem Geschlechtsverkehr geht bei den meisten Jugendlichen eine Periode immer intimerer Verhaltensweisen voraus, dabei lernen Partner und Partnerin sich nicht nur körperlich, sondern auch beziehungsmäßig näher kennen.

 

8.      Jugendliche werden in sehr unterschiedlichem Alter sexuell aktiv. Etwa 10 Prozent machen bereits im Alter von 12 bis 14 Jahren ihre ersten sexuellen Erfahrungen. Mit 17 Jahren sind 70 Prozent aller Jugendlichen sexuell aktiv. Die verbleibenden 30 Prozent sind es oft erst Jahre später. Diese große Variabilität ist im Wesentlichen durch Unterschiede in der körperlichen Reifung und Entwicklung des Bindungs- und Beziehungsverhaltens sowie durch soziale Faktoren bedingt.

 

9.      Eltern spielen mit ihrem partnerschaftlichen Verhalten für ihre jugendlichen Kinder als Vorbilder eine wichtige Rolle. Sie haben auch einen großen Einfluss auf Einstellung und Haltung ihrer Kinder zu Sexualität und Verhütung.

 

10.   Das Sexualverhalten wird weniger durch erotische oder gar pornografische Reize bestimmt als vielmehr durch das Bindungs- und Beziehungsverhalten. Geborgenheit, soziale Sicherheit und Kontinuität in der Partnerschaft sind zentrale Anliegen für Jugendliche.

 

11.   Beim ersten Geschlechtsverkehr verhüten mehr als 90 Prozent aller Jugendlichen mit Kondomen und Pille. Die große Mehrheit der Jugendlichen verhält sich umsichtig und verantwortungsvoll.

 

12.   13 Prozent der Mädchen und 6 Prozent der Jungen erleben sexuelle Gewalt. Mädchen vor allem in flüchtigen Bekanntschaften, Jungen durch vertraute Personen.

 


Wie sich Jugendliche emotional neu orientieren

 

1.      Die größte Veränderung in der Pubertät betrifft das Bindungsverhalten. Das Kind ist bedingungslos an die Eltern gebunden und in seinem Wohlbefinden von ihnen abhängig. In der Pubertät wird diese Bindung weitgehend aufgelöst.

 

2.      Weil die Eltern dem Jugendlichen nicht mehr die notwendige Nähe und Zuwendung geben können, sucht der Geborgenheit bei den Gleichaltrigen und später bei einem Partner.

 

3.      Von seinen Freunden und seinem Partner erwartet der Jugendliche unbedingt Treue, Verlässlichkeit und letztendlich Geborgenheit, wie er sie in der Kindheit erfahren hat.

 

4.      Alleinsein ist für Jugendliche der Alptraum schlechthin. Den Freund oder die Freundin zu verlieren kann genauso schlimm sein wie für ein Kind der Verlust der Eltern.

 

5.      Von den Eltern erwartet der jugendliche nach wie vor, vorbehaltlos angenommen zu werden, vor allem auch dann, wenn er die emotionale Sicherheit bei den Gleichaltrigen nicht finden kann.

 

6.      Wenn ein Kind in Geborgenheit aufgewachsen ist, ist das eine gute Voraussetzung, aber keine Garantie für eine Gelungene Partnerschaft.

 

7.      Die Kirchen, die den Jugendlichen früher aus der Geborgenheit der Familie in die Geborgenheit der Gemeinschaft überführt haben, haben ihre Kraft weitgehend verloren. Dafür haben Freikirchen und Sekten eine große Anziehungskraft gewonnen.

 

Wieso Gleichaltrige so wichtig sind!

 

1.     Cliquen sind das Vorzimmer zur Gesellschaft. Unter den Gleichaltrigen werden Sozialverhalten, Wertvorstellungen und politische Dankweisen erprobt, die in der Gesellschaft wichtig sein werden.

 

2.     Soziale Anerkennung und eine ihnen entsprechende Stellung in der Gruppe sind für die meisten Jugendlichen sehr wichtig. Die richtige Kleidung und Schminke, wer hat schon einen Freund, das angesagte Handy und die Anzahl der Bekanntschaften auf Facebook sorgen für soziales Kapital.

 

3.     Jugendliche mit besonderen Stärken, zum Beispiel im Sport, können sich dem Gruppenzwang entziehen. Die Mehrheit der Jugendlichen muss sich dem Druck beugen.

 

4.     Jugendliche aus Migrationsfamilien haben es besonders schwer, Eingang in die Cliquen einheimischer Jugendlicher zu finden, und suchen daher Zuflucht in Randgruppen. Dieser Gefahr kann am besten mit einer möglichst frühzeitigen Integration begegnet werden.

 

5.     Der Konsum von Drogen und Alkohol sowie riskantes Verhalten unterliegen in der Clique einem hohen sozialen Druck. Nicht mitmachen fällt vor allem schwächeren jugendlichen schwer.

 

6.     Die Bedeutung der Clique schwindet, wenn sich die jungen Erwachsenen sozial und beruflich in der Gesellschaft etablieren und eine eigene Familie gründen.

 

 Wie sich Kinder von den Eltern ablösen und ihren Platz in der Gesellschaft finden

 

1.      Das Bindungsverhalten, das der Mensch mit allen Säugetieren gemeinsam hat, stellt sicher, dass ein Kind in der Nähe der Personen bleibt, die sein überleben, seine Entwicklung und Sozialisation gewährleisten. Nicht nur das Kind bindet sich an die Eltern, sondern die Eltern auch an das Kind.

 

2.      Das Hauptmerkmal der Bindung ist: Das Kind kann nicht allein sein. Trennungsangst und Fremdeln halten es in der Nähe der Bezugsperson.

 

3.      Die bindungsstärke ist von Kind zu Kind unterschiedlich groß. Es gibt Kinder, die sehr viel Nähe und Zuwendung brauchen, und solche, die emotional unabhängiger und selbständiger sind.

 

4.      In der Pubertät löst sich die Bindung des Kindes an die Eltern weitgehend auf. Damit ist der junge Erwachsene emotional unabhängig und kann eine Partnerschaft eingehen, sich fortpflanzen und eine eigene Familie gründen.

 

5.      Der Jugendliche wird durch die Ablösung von den Eltern emotional nicht autonom. Er muss nun die emotionale Sicherheit, die er bisher von den Eltern bekommen hat, bei den Gleichaltrigen und in einer Partnerschaft finden.

 

6.      Die meisten Jugendlichen durchlaufen in Cliquen verschiedenen Etappen der sozialen Integration: gleichgeschlechtliche Gruppen, gemischte Gruppen und schließlich Paarbeziehungen.

 

7.      Das Schlimmste, was einem Jugendlichen passieren kann, ist, keine Freunde zu haben und sich allein zu fühlen.

 

8.      Die Sozialisierung beginnt bereits in den ersten Lebenswochen und findet in der Adoleszenz ihren vorläufigen Abschluss. Dabei lernt das Kind, wie die Menschen in der Gemeinschaft miteinander umgehen, verinnerlicht Regeln und Wertvorstellungen und erlernt die Kulturtechniken.

 

9.      Mit etwa 4 Jahren beginnt das Kind, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, und lernt ihre Wünsche, Gedanken und Absichten von seinen eigenen zu unterscheiden (>Theory of Mind<).

 

10.   Wenn Eltern und Lehrer einfühlsam mit den ihnen anvertrauten Jugendlichen umgehen, werden sich auch diese empathisch verhalten. Jugendliche mit gut entwickeltem Einfühlungsvermögen zeigen im Alltag eine höhere soziale Kompetenz und sind bei Gleichaltrigen beliebter.

 

11.   Das Kind kann nicht anders werden als sein soziales Umfeld (soziales Lernen, Modelllernen). In der Pubertät werden die Peers zu dominierenden Vorbildern. Sie bestimmen weitgehend, an welchen Verhaltensweisen und Wertvorstellungen sich ein Jugendlicher orientiert.

 

12.   Alle Komponenten des Sozialverhaltens wie Einfühlungsvermögen, soziales Lernen und nonverbale Kommunikation sind unter Menschen unterschiedlich ausgeprägt. Jeder Jugendliche bringt also ganz unterschiedliche Voraussetzungen mit, wenn er sich auf den Weg in die Gesellschaft macht.

 

13.   Von den den Peers akzeptiert zu werden und einen Platz in der Clique zu finden hat für die meisten Jugendlichen hohe Priorität. Die Clique ist das Trainingsfeld für soziale Integration in die Gesellschaft.

 

Von der Kindesliebe Abschied nehmen

 

1.     Während der Kindheit lieben Kinder ihre Eltern bedingungslos. Mit dem Einsetzen der Pubertät erleben die Eltern die emotionale Ablösung ihrer Kinder als Liebesverlust.

 

2.     Jugendliche gehen zu ihren Eltern körperlich auf Distanz, sind weniger gesprächsbereit und ihre nonverbale Kommunikation wirkt oft abweisend. Manche Mädchen zeigen ein Blickvermeidungsverhalten. Solche Verhaltensänderungen sind bei den Jugendlichen unterschiedlich ausgeprägt.

 

3.     In der Pubertät verlieren Eltern ihre Sonderstellung und werden gewissermaßen entmystifiziert.

 

4.     Eltern sollen ihren Kindern die Tür für eine Rückkehr in rauen Zeiten stets offenhalten.

 

5.     Eltern sollten nicht eifersüchtig auf die Freunde ihrer Kinder reagieren. Sie sollten den Jugendlichen und ihren Freunden vielmehr Raum für ihre Beziehung gewähren.

 

6.     Eltern sollten die Privatsphäre von Sohn und Tochter respektieren. Dann ist die Chance am größten, dass sie den Freund der Tochter, die Freundin des Sohnes rechtzeitig kennenlernen und sich so alle wohlfühlen.

 

7.     Immer mehr junge Erwachsene können aus finanziellen Gründen nicht zu Hause ausziehen. Das >Hotel Mama< wird – wie bereits in Südeuropa - ein ernsthaftes gesellschaftliches Problem.

 

 Die zentralen Themen eines Jugendlichen:

 

1.     Was ich werden will!

 

1.      Selbstverwirklichung bedeutet, die individuellen Begabungen zu verwirklichen. Dabei geht es nicht um Höchstleistungen, sondern darum, dass jeder Jugendliche seine Leistungsfähigkeit seinen Begabungen entsprechend ausbilden kann. Er wird sein Leben dann am besten bewältigen, wenn er auf seine Stärken setzt.

 

2.      Eine schulische Ausbildung und Weiterbildung, die auf die individuellen Bedürfnisse Rücksicht nimmt, bietet die größte Gewähr für berufliche und soziale Integration möglichster aller jugendlichen.

 

3.      Nicht alle Jugendlichen wollen sich schulisch noch entwickeln. Manche sich ausgeschult. Sie wollen ihre Fähigkeiten praktisch einsetzen und einen Beitrag für die Gesellschaft leisten.

 

2.     Auf der Suche nach sich selbst

 

1.      Selbstwahrnehmung und Selbstgefühl erfahren in der Pubertät eine Neuorientierung. Jugendliche leben einige Jahre lang in einer Art Zwischenwelt zwischen Kind und Erwachsensein.

 

2.      Der junge Erwachsene wird mit der Ablösung emotional weitgehend unabhängig, ist aber in seinem Selbstverständnis noch keine eigenständige Person.

 

3.      Das Selbstwertgefühl wird im Laufe der Pubertät immer weniger durch die Anerkennung in der Familie und immer mehr durch die Anerkennung von den Gleichaltrigen in der Erwachsenwelt bestimmt. Sein Verhalten und seine Tätigkeiten muss der jugendliche nun selber verantworten.

 

4.      Die Ablösung von den Eltern und die Suche nach der eigenen Persönlichkeit bringt viele Jugendliche dazu, ihre Herkunft zu hinterfragen. Adoptivkinder und Kinder, die durch künstliche Befruchtung gezeugt worden sind, haben in dieser Lebensphase ein besonders großes Bedürfnis zu erfahren, wer ihre biologischen Eltern sind.

 3.     Wie Mädchen und Jungen ihre Geschlechterrolle finden

 

1.      Geschlechtsspezifisches Verhalten ist angeboren und wird nicht durch Vorbilder geprägt. Bei Töchtern, die überwiegend von ihrem Vater betreut werden, stellt sich dennoch ein typisch weibliches Verhalten ein; Jungen, die von alleinstehenden Müttern aufgezogen werden, entwickeln dennoch eine Vorliebe für männliche Tätigkeiten. Was nicht bedeutet, dass die Kinder nicht auf Vorbilder angewiwsw3n sind, um ihr geschlechtsspezifisches Verhalten auszugestalten.

 

2.      Im vorpubertären Alter spielen Kinder fast ausschließlich mit Kindern des eigenen Geschlechts. Diese Präferenz verschwindet mit dem Eintritt in die Pubertät keineswegs, wird aber von der sexuellen Orientierung überlagert.

 

3.      Jungen und Mädchen entwickeln bereits als Kleinkinder unterschiedliche Beziehungsstrukturen. Während Mädchen flache Hierarchien bevorzugen und sich an sozialen Kompetenzen orientieren, ziehen Jungen Stärke, Macht und steile Hierarchien vor. Es bestehen allerdings große Überlappungen zwischen den Geschlechtern.

 

4.      Wie sich Geschlechtsidentität, geschlechtstypisches Verhalten und sexuelle Orientierung im Verlauf der Pubertät ausbilden, hängt von der Veranlagung ab. Eltern sollen ihren Kindern alle Erfahrungsmöglichkeiten offenhalten, damit sie sich ihren Neigungen entsprechend entwickeln können.

 

5.      In der Vergangenheit wurde Homosexualität auf eine frühkindliche Fehlentwicklung zurückgeführt. Heute geht man davon aus, dass Homosexualität im Wesentlichen anlagebedingt ist.

 

6.      Jugendliche mit einer homosexuellen Neigung haben es in der Pubertät besonders schwer. Neben dem inneren Eingeständnis der eigenen Homosexualität kann der Jugendliche sozial vereinsamen und großen sozialen Belastungen ausgesetzt sein. Homosexuelle Jugendliche sind besonders suizidgefährdet. Sie brauchen besondere Unterstützung.

 

7.      Eltern sollen ihrem Kind, wenn es eine homosexuelle Neigung zeigt, ihre Akzeptanz und Zuwendung keinesfalls entziehen. Fühlen sie sich dazu nicht in der Lage, sollten sie sich fachliche Hilfe suchen.

 

8.      Bei Transsexualität handelt es sich um Menschen, die körperlich eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht angehören, sich jedoch als Angehörige des anderen Geschlechts empfinden und auch so leben wollen.

 

9.      Menschen, die sich als Hermaphroditen oder Zwitter bezeichnen, weisen Anteile von weiblichen und männlichen Geschlechtsorganen und Geschlechtsmerkmalen auf. Ihre körperliche Erscheinung kann daher nicht eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden (Sexualdifferenzierungsstörung oder Intersexualität).

 

10.   Die Entwicklung des Menschen weist bezüglich Geschlechtsidentität, geschlechtsspezifischem Verhalten und sexueller Orientierung eine große Variabilität auf. Auf stereotype Haltungen und Vorstellungen sollten wir daher verzichten

 


Kontrolle übergeben

 

1.     Mit der Ablösung ihres Kindes erleiden Eltern einen Kontrollverlust. Sie müssen sich selbst, ihrem Sohn und ihrer Tochter klar machen: Die Verantwortung für ihr Handeln liegt nun bei den Jugendlichen selbst.

 

2.     Kinder gehorchen ihren Eltern, weil sie von ihnen emotional abhängig sind. Jugendliche sind zu einer einvernehmlichen Lösung zu bewegen, wenn Eltern ihnen mit natürlicher Autorität, Respekt und einer überzeugenden Haltung begegnen.

 

3.     Eltern können - so sehr sie es auch möchten – ihre jugendlichen Kinder vor Gefahr und Risiken nicht mehr bewahren. Dies müssen sie ihnen in aller Deutlichkeit sagen: Wir können euch nicht mehr beschützen.

 

4.     Eltern haben keine Kontrolle mehr über die Beziehungen, die ihre jugendlichen Kinder mit Gleichaltrigen eingehen. Sie sollten darauf vertrauen, dass die Verhaltensweisen und Werte, die sie ihren Kindern vermittelt haben, diese in ihren Beziehungen leiten werden.

 

5.     Eltern sollten ihre Kinder so kompetent wie möglich machen, damit sie das Leben selbstständig bewältigen können. Sie sollten die Jugendlichen in ihrem Bestreben nach Unabhängigkeit nicht bremsen, sondern kompetent machen (zum Beispiel beim Autofahren)

 

Verhandeln statt Erziehen

 

1.     Jugendliche anzuleiten, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen, ist eine der letzten Erziehungsaufgaben, die Eltern zu erfüllen haben.

 

2.     Das Kind ist emotional so stark von den Eltern abhängig, dass es gar nicht anders kann als zu gehorchen. Für den Jugendlichen besteht diese Abhängigkeit nicht mehr, deshalbkann er sich verweigern.

 

3.     Eltern und Jugendliche müssen Rechte und Pflichten für ein erträgliches Zusammenleben neu aushandeln. Während der jugendliche beispielweise ein Recht auf sein Zimmer hat, sollte er auch einen Beitrag zum Haushalt und für die Gemeinschaft leisten.

 

4.     Wenn die Beziehung gleichwertig werden soll, dann müssen die Eltern den Jugendlichen so behandeln, wie sie selbst behandelt werden wollen. Der Jugendliche will den Eltern auf Augenhöhe begegnen.

 

5.     Für die Familie geht es darum, die Privatsphäre des Jugendlichen zu achten, und für den Jugendlichen, die Privatsphäre aller und den gemeinsamen Lebensraum zu respektieren.

 

6.     Konfliktsituationen zwischen Jugendlichen und Eltern sind unvermeidlich, nicht aber Streit. Die Konflikte fallen umso geringer aus, je früher die Eltern ihr Kind zur Selbständigkeit und verantwortungsvollem Handeln erzogen haben.

 

7.     Die Eltern sollten ihre Meinung immer deutlich zum Ausdruck bringen, dürfen aber nicht erwarten, dass der Jugendliche sich danach richten wird. Eltern sollten den Jugendlichen wie einen Erwachsenen behandeln im Bewusstsein, dass er es noch nicht ist.

 

8.     Eltern hatten mindestens 12 Jahre Zeit, ihr Kind zu erziehen. Wenn ihr Kind in die Pubertät kommt, können sie nur hoffen, dass sie ihre Sache gut gemacht haben. Von nun an wird das Leben ihr Kind erziehen.

 

Gefahren und Risiken:

 

1.      Ab dem Alter von 12 Jahren steigt der Alkohol- und Haschischkonsum in westlichen Gesellschaften an. Der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen 18 und 24 Jahren. Danach nimmt der Konsum wieder ab.

 

2.      Alkohol und Drogen sind weit verbreitete Mittel, um emotionale Unsicherheit und Beziehungsängste zu dämpfen. Deren Konsum untersteht einem großen Gruppendruck.

 

3.      Designerdrogen und Medikamente sind deshalb gefährlich, weil der Konsument oft keine Kontrolle darüber hat, was er wirklich einnimmt. Zudem können sie irrationales Verhalten und psychische Abhängigkeiten auslösen.

 

4.      Die große Mehrheit der jungen Menschen lernt im Laufe der Adoleszenz, mit Alkohol umzugehen und auf Drogen zu verzichten.

 

5.      Eine kleine Minderheit wird von Alkohol und Drogen abhängig. Die Gründe sind anlagebedingte Suchtneigungen und fehlende Lebensperspektiven bezüglich Freundeskreis und Partnerschaft, Ausbildung und existenzieller Unabhängigkeit.

 

6.      Die altersgemäße Verteilung von Gewaltdelikten unter Jugendlichen ist ähnlich wie beim Alkohol- und Drogenkonsum und hat ihren Häufigkeitsgipfel zwischen 18 und 24 Jahren.

 

7.      Jugendliche sind aus hirnphysiologischen Gründen impulsiver und verlieren leichter die Kontrolle über ihr Verhalten als Erwachsene, insbesondere unter Alkohol- und Drogeneinfluss. Dies erhöht die Bereitschaft, in Konfliktsituationen, aber auch grundlos Gewalt anzuwenden.

 

8.      Neben Persönlichkeit und Drogenkonsum sind es vor allem die individuellen Lebensumstände, die Jugendliche gewalttätig werden lassen. Alkohol und Drogen können die Gewaltbereitschaft zusätzlich erhöhen.

 

9.      Risikoreiches Verhalten ist aus verhaltensbiologischer Sicht keine Fehlschaltung, sondern von der Natur so gewollt. Es gibt den jungen Menschen Mut und Kraft, neues zu wagen.

 

10.   Gefahr droht besonders dann, wenn mit erhöhter Risikobereitschaft ein schwaches oder gar fehlendes Selbstwertgefühl kompensiert werden muss. Gefährdet sind vor allem Jugendliche, die in verschiedener Hinsicht ungenügend integriert und sozial akzeptiert sind.

 

11.   Gruppendruck kann die Risikobereitschaft zusätzlich verstärken. Ein schnelles Auto zum Beispiel kann zu erhöhtem sozialen Ansehen bei den Gleichaltrigen führen, aber auch zum Autorasen verleiten.

 

12.   Die Gefährdung wird herabgesetzt, wenn es gelingt, die jungen Menschen beruflich und sozial zu integrieren.

 

Internet- und Computerspiele.

 

1.      Mehr als 90 Prozent der Jugendlichen verbringen über 2 Stunden pro Tag vor dem Computer.

 

2.      Die meisten Jugendlichen spielen nicht Gewaltvideospiele, weil sie Gewalt ausüben wollen, sondern weil das Speil sie bezüglich Auffassungsgabe, Koordinations-, Reaktions-, Kombinationsvermögen und Schlussfolgern herausfordert.

 

3.      Computersucht entsteht bei jugendlichen hauptsächlich dann, wenn es ihnen nicht gelingt, vertrauensvolle Beziehungen einzugehen, einen Platz unter den Gleichaltrigen zu finden sowie sich schulisch und beruflich durchzusetzen.

 

4.      Videogames haben wahrscheinlich auch deshalb eine große Anziehungskraft auf Jugendliche, weil ihnen das reale Leben keine gleichwertigen, beispielweise sozialen Erfahrungen bietet.

 

5.      Gewaltvideogames steigern das Aggressionspotenzial bei Jugendlichen nur kurz-, nicht aber langfristig. Sie können einen Jugendlichen jedoch negativ beeinflussen, wenn ihm Vorbilder fehlen, seine Sozialisierung ungenügend war und er selbst Gewalt erfahren musste.

 

6.      Die Mehrheit der Erwachsenen ist nicht ausreichend medienkompetent, nur eine Minderheit hat Erfahrungen mit Videogames. Erwachsene sind deshalb für Jugendliche unglaubwürdig, wenn sie die Videogames und generell die elektronischen Medien verteufeln und Verbote durchsetzen wollen.

 

7.      Der Kampf gegen Gewalt in den elektronischen Medien kann nur dann erfolgreich sein, wenn Gewalt nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Erwachsene als ethisch verwerflich abgelehnt wird.

 

 Was soll aus meinem Kind bloß werden?

 

1.     Existenzielle Ängste und übertriebene Erwartungen sollten Eltern nicht dazu verleiten, den Jugendlichen zu einer bestimmten schulischen und beruflichen Laufbahn zu zwingen. Sie sollten ihre Erwartungen seinen Begabungen anpassen.

 

2.     Auf Dauer ist ein Mensch nur mit einer Tätigkeit lebenstüchtig, die ihm entspricht und ihn weder unter- noch überfordert. Abitur und Universitätsabschluss sind keine Garantie für ein gelingendes Leben.

 

3.     Ein Abstieg im Vergleich mit der beruflichen Stellung der Eltern sollte nicht als Versagen angesehen werden. Dadurch kann eine falsche Karriere mit ständiger Überforderung und letztendlichem Scheitern vermieden werden.

 

4.     Eltern sollten sich konsequent auf die Seite des Kindes stellen und ihm das Gefühl geben: Du bist gut so, wie du bist. Wir wissen, dass du dich bemühst, so gut du kannst.

 

5.     Das Kind ist nicht auf die Welt gekommen um die Erwartungen seiner Eltern zu erfüllen, sondern um zu jenem Wesen zu werden, das in ihm angelegt ist. Dies zu ermöglichen, liegt in der Verantwortung der Eltern.

 

 Die Entthronung der Lehrer

 

1.     In der Pubertät löst sich der Jugendliche – wenn auch weniger ausgeprägt wie von seinen Eltern – emotional von seinen Lehrern ab. Der jugendliche will ihnen nun auf Augenhöhe begegnen.

 

2.     Lehrer bleiben eine Autorität, wenn sie diese auf Fachkompetenz, Begeisterungsfähigkeit, soziale Kompetenz und Persönlichkeit gründen.

 

3.     Über EINE Kompetenz muss jeder Lehrer verfügen: Er muss Kinder mögen und ein genuines Interesse an ihrer Entwicklung haben. Ein guter Lehrer will in erster Linie Jugendliche unterrichten und nicht nur sein Fach.

 

4.     Entscheidend für jeden Schüler ist das Gefühl: der Lehrer mag mich so wie ich bin. Der Jugendliche als Person sollte für den Lehrer immer über seiner Leistung und seinem Verhalten stehen.

 

5.     Eine unzureichende Beziehung zwischen Lehrern und Jugendlichen führt zu sinkender Lernmotivation, Verhaltensauffälligkeiten und schließlich zur Schulverweigerung.

 

6.     Die Qualität der Beziehungen zwischen Schülern, Lehrern und Eltern bestimmt den Schulerfolg wesentlich.

7.  Die Anforderungen an Lehrer und Lehreinnen sind gestiegen. Die öffentliche Diskussion erschöpft sich in strukturellen und organisatorischen Problemen der Schulen. Die emotionalen, sozialen und lernpsychologischen Bedürfnisse der Schüler müssen wieder vermehrt berücksichtigt werden.

 

 

(aus Remo H. Largo/ Monika Czernin – Jugendjahre, Kinder durch die Pubertät begleiten, Piper 2017)